Öffentlich-rechtlicher Vergleich in der Baubewilligung: Wenn private Einigung Behörden bindet

In einem spannenden aktuellen Entscheid (BVURA.23.632 vom 25. Juni 2024) klärt das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau die Reichweite eines im Baubewilligungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs.

Im Zentrum steht die Frage: Dürfen Projektänderungen bewilligt werden, wenn sie mit einem zuvor rechtsverbindlich vereinbarten Vergleich im Widerspruch stehen?

Sachverhalt: Eine Bauherrin reichte ein nachträgliches Baugesuch ein. Dieses betraf unter anderem eine Wegführung, Aussenbeleuchtung sowie Begrünung auf einer Industrieparzelle. Die Beschwerdeführerin, eine Nachbarin, hatte im ursprünglichen Verfahren 2020/039 Einwendung erhoben, dann aber nach zähen Verhandlungen einen Vergleich geschlossen und ihre Einwendung zurückgezogen. Der Vergleich wurde in die Baubewilligung vom 22. Februar 2021 aufgenommen.

Streitpunkt: Die Beschwerdeführerin argumentierte, die späteren Projektänderungen widersprächen dem Vergleich und der verbindlichen Baubewilligung. Insbesondere seien Aussenanlagen und Lichtinstallationen bewilligt worden, die man im Vergleich explizit ausgeschlossen hatte. Die Bauherrschaft versuche, sich ihrer Verpflichtungen im Nachhinein zu entledigen.

Rechtliche Beurteilung: Das Departement stützt sich auf Art. 33b VwVG und § 19 VRPG. Demnach können Vergleiche im Verwaltungsverfahren Bestandteil eines Entscheids werden, sofern sie mit dem öffentlichen Recht vereinbar sind. Das war hier der Fall: Die Einigung über Lärm- und Lichtschutz wurde in die bewilligten Pläne aufgenommen und ist damit öffentlich-rechtlich verbindlich.

Der Gemeinderat Q._____ hatte die nachträglichen Änderungen hingegen als "neues" Baugesuch beurteilt und den Vergleich als privatrechtlich qualifiziert – zu Unrecht, wie das Departement feststellt.

Folgen des Entscheids: Die Beschwerde wurde gutgeheissen. Die Baubewilligung vom 22. Februar 2021 entfaltet formelle Rechtskraft; Projektänderungen, die ihr widersprechen, sind nur im Rahmen einer Wiedererwägung zulässig. Diese wiederum setzt gewichtige neue Umstände oder überwiegende öffentliche Interessen voraus – beides war hier nicht gegeben.

Fazit: Dieser Entscheid stärkt den Vertrauensschutz und betont die rechtliche Verbindlichkeit von Vergleichen im Baubewilligungsverfahren. Gemeinden dürfen Projektänderungen nicht leichtfertig bewilligen, wenn diese mit einem rechtsverbindlichen Vergleich kollidieren. Planer, Bauherren und Einsprecher tun gut daran, die Reichweite solcher Einigungen zu kennen und zu respektieren.

https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/decrees/9602

Stichworte: Baurecht Aargau, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Baubewilligung Vergleich, Projektänderung, erwaltungsverfahren Schweiz, Vertrauensschutz, Wiedererwägung Bauprojekt, Licht- und Lärmschutz