Bauprojekt Atelier- und Gewerbehallen: Regierungsrat Aargau erlaubt Wohnnutzung trotz Lärm – Entscheid mit Signalwirkung
Regierungsratsentscheid vom 19. Juni 2024 (RRB 2024-000774) Die C._____ AG beabsichtigt in der Gemeinde Q._____ auf Parzelle aaa den Neubau von fünf Atelier- und Gewerbehallen mit einer gemeinsamen Tiefgarage. Gegen die vom Gemeinderat erteilte Baubewilligung wurde Beschwerde eingereicht – insbesondere wegen Fragen rund um die Ausnützungsziffer (AZ), die Wohnnutzung in den Obergeschossen und die Einhaltung der Lärmschutzvorschriften. Der Regierungsrat des Kantons Aargau wies die Beschwerde grösstenteils ab und stützte im Wesentlichen die Beurteilung durch die Gemeinde. Der Entscheid ist für Planerinnen und Planer, Bauherren, Architekturbüros und Investoren von erheblicher Relevanz.
Zentrale Erkenntnisse und Begründungen
1. "Ateliers" können als Wohnungen gelten – es zählt die bauliche Eignung Obwohl die geplanten Einheiten im Obergeschoss im Baugesuch als "Ateliers" bezeichnet wurden, stellte der Regierungsrat klar: Entscheidend ist nicht die Benennung, sondern die konkrete bauliche Eignung zur Wohnnutzung. Massstab ist Art. 2 Abs. 1 des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG). Eine Wohneinheit muss:
zur Wohnnutzung geeignet sein (z. B. Belichtung, Besonnung, Belüftung),
eine bauliche Einheit bilden,
über einen separaten Zugang verfügen,
eine Kocheinrichtung oder mindestens deren Einbaumöglichkeit aufweisen,
dauerhaft errichtet sein (keine Fahrnis). Die Einheiten im Projekt erfüllen laut Entscheid diese Merkmale grundsätzlich, sofern gewisse Vorgaben umgesetzt werden.
2. Ausnützungsziffer 0,75 nur mit verlässlichem Wohnanteil Die Anwendung der erhöhten AZ von 0,75 ist gemäss kommunaler Bau- und Nutzungsordnung (BNO) nur zulässig, wenn mindestens ein Drittel der anrechenbaren Nutzfläche als Wohnfläche genutzt wird. Die Bauherrschaft plante 16 von 22 Einheiten als Wohneinheiten, was den Anforderungen formal genügt. Allerdings bemängelte der Regierungsrat, dass die blose Bereitstellung technischer Installationen für Küchen nicht genügt, um eine gesicherte Wohnnutzung zu gewährleisten. Es wird verlangt, dass vor Baufreigabe überarbeitete Ausbaupläne mit integrierten Küchen und sanitären Anlagen eingereicht werden müssen. Nur so könne der Wohnanteil rechtsverbindlich gesichert werden.
3. Lärmschutzanforderungen gemäss Bundesrecht erfüllt
Strassenlärm: Die kantonalen Vorgaben sehen eine Grobabklärung mittels Lärmkataster vor. Diese wurde durchgeführt und zeigt, dass die Immissionsgrenzwerte von 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) in der Nacht eingehalten werden.
Bahnlärm: Auch für den angrenzenden Bahnverkehr gelten keine Überschreitungen der Grenzwerte. Hinweise auf künftige Ausbauprojekte im Bahnverkehr reichen nicht aus, um heute strengere Anforderungen zu stellen. Es braucht eine rechtlich bewilligte oder zumindest öffentlich aufgelegte Planung, was hier nicht der Fall war.
4. Tiefgarage und Treppen: Baurechtlich zulässige Erschliessung Die Beschwerdeführenden rügten, dass die Treppenanlage und die Einfahrt zur Tiefgarage zu nahe an der Grundstücksgrenze liegen. Der Regierungsrat stellte jedoch klar, dass es sich bei diesen Elementen um "notwendige Erschliessung" im Sinne von § 20 Bauverordnung (BauV) handelt. Für solche Bauten gelten mildere Vorschriften hinsichtlich Terrainüberhöhung und Grenzabstand. Die Sicherheitsmauern (Absturzsicherung) sind zulässig und baurechtlich korrekt umgesetzt.
5. Pflichtparkplätze: Keine Zuweisungspflicht nach Nutzung Die Forderung, bereits in den Bauplänen Parkplätze explizit nach Nutzungsart (Wohnen/Gewerbe) aufzuteilen, wies der Regierungsrat zurück. Das kantonale Baurecht verlangt lediglich, dass die notwendige Anzahl an Parkplätzen auf privatem Grund bereitgestellt wird. Die 154 vorgesehenen Parkplätze in der gemeinsamen Tiefgarage erfüllen diese Anforderung. Eine spätere Zweckentfremdung kann nötigenfalls von der Baupolizeibehörde korrigiert werden.
Bedeutung für Praxis
Die Bezeichnung als "Atelier" genügt nicht, um eine Wohnnutzung auszuschliessen. Entscheidend ist die Erfüllung der materiellen Anforderungen an Wohnräume.
Wer eine hohe Ausnützungsziffer beanspruchen will, muss die erforderliche Wohnnutzung nicht nur ermöglichen, sondern baulich absichern.
Lärmschutz kann durch Grobabklärung belegt werden, sofern die Grenzwerte klar unterschritten sind.
Für Rampen, Treppen oder Tiefgarageneinfahrten gelten erleichterte Abstandsregeln, wenn sie der Erschliessung dienen.
Die Pflicht zur Parkplatzbereitstellung ist mengenmässig zu erfüllen, nicht nutzungsbezogen auszuweisen.
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