Wo befindet sich die Hauptwohnseite, die für den grossen Grenzabstand massgebend ist?
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat sich wiederholt mit der Bestimmung der Hauptwohnseite von Gebäuden auseinandergesetzt. Insbesondere wurde in einem neueren Urteil klargestellt, dass die Hauptwohnseite jene Gebäudeseite ist, an der die Mehrheit der Wohnräume ausgerichtet ist. Der wesentliche Grund für die Einhaltung eines grösseren Grenzabstandes auf dieser Seite besteht darin, im Interesse der Bauherrschaft und der Nachbarschaft mehr Raum zwischen dem Gebäude und der angrenzenden Grenze zu schaffen. Diese Orientierung wird primär durch die Grösse und Wichtigkeit der Fenster sowie die Fläche der Räume bestimmt, wobei Fenster zur Südwestseite aufgrund der Sonneneinstrahlung wichtiger sind als solche zur Nordwestseite. Entscheidend sind neben den Fenstern auch die Raumgrössen, insbesondere von Wohn- und Esszimmern sowie Kinderzimmern, da hier die Bewohner tagsüber die meiste Zeit verbringen. Auch Schlafzimmer und in geringerem Masse Korridore und Sanitärräume spielen eine Rolle. Zusätzlich sind die Anordnung von Aussentüren sowie die Gestaltung von Terrassen und Balkonen relevant. Ein grösserer Grenzabstand verbessert zudem die Lichtverhältnisse und den Schutz vor Immissionen, was besonders auf der Seite wichtig ist, auf der der Aussenraum intensiv genutzt wird. Die Vorschrift des grossen Grenzabstandes dient auch dem Schutz der Bauherrschaft vor zu nahen Nachbarbauten, wobei der lokalen Baubehörde bei der Auslegung des Begriffs „Hauptwohnseite“ ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt.
Im Übrigen sind bei einem Mehrfamilienhaus mehrere Hauptwohnseiten an unterschiedlichen Fassaden (je nach Gebäudeteil oder Wohneinheit) möglich.
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