Die vertikale Dimension des Grundeigentums: Bundesgerichts-Urteil (5A_319/2021)

Wie weit reicht das Grundeigentum? Eine Analyse des Bundesgerichts

Wie weit reicht das Eigentum an einem Grundstück in den Luftraum und ins Erdreich? Diese Frage wurde im Bundesgerichtsentscheid 5A_319/2021 vom 2. Juni 2022 behandelt. Das Urteil beleuchtet die rechtlichen Grenzen des Grundeigentums und zeigt auf, wie Eigentümer ihre Rechte verteidigen können.

Der Fall: Erdnägel als Eigentumsstörung

Im Streitfall sicherte ein Bauherr die Baugrube seines Hauses mit einer Spritzbetonwand, die durch Erdnägel stabilisiert wurde. Diese Erdnägel ragten bis zu 4,5 Meter in den Untergrund eines benachbarten Grundstücks. Die Miteigentümer des betroffenen Grundstücks reichten eine Eigentumsfreiheitsklage ein und forderten die Entfernung der Erdnägel.

Gesetzliche Grundlagen: Wie weit reicht das Eigentum?

Gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Grundeigentum nach oben und unten, jedoch nur soweit ein schutzwürdiges Interesse besteht. Art. 641 Abs. 2 ZGB gibt Eigentümern das Recht, unrechtmässige Eingriffe in ihr Eigentum abzuwehren. Das Bundesgericht stellte klar, dass Erdnägel, die in den Untergrund eines fremden Grundstücks ragen, eine direkte Substanzeinwirkung darstellen und somit eine Eigentumsstörung begründen.

Schutzwürdiges Interesse: Die Grundlage für Eigentumsschutz

Ein Eigentümer hat nur dann ein schutzwürdiges Interesse am Luftraum oder Untergrund, wenn er diesen Bereich nutzen möchte oder eine Nutzung durch Dritte seine Rechte beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall hatten die Kläger eine konkrete Planung für eine Erdwärmesondenanlage. Diese Nutzung wurde durch die Erdnägel erschwert, weshalb das Bundesgericht ein schutzwürdiges Interesse bejahte.

Urteil: Eigentumsschutz hat Vorrang

Das Bundesgericht entschied zugunsten der Kläger und verpflichtete den Nachbarn zur Entfernung der Erdnägel. Es unterstrich, dass Eigentümer nicht nur gegen physische Schäden, sondern auch gegen ungerechtfertigte Einschränkungen ihrer Nutzungsmöglichkeiten geschützt sind.

Tipps für Grundeigentümer und Bauherren

  1. Präzise Planung bei Bauprojekten: Achten Sie darauf, dass Ihre Bauvorhaben keine fremden Grundstücke beeinträchtigen.

  2. Rechte kennen: Als Grundeigentümer sollten Sie Ihre Rechte und die Grenzen des Eigentumsrechts genau kennen.

  3. Eigentumsstörungen dokumentieren: Wenn Sie Eingriffe feststellen, sollten Sie diese genau dokumentieren und rechtzeitig juristischen Rat einholen.

  4. Nutzungskonflikte vermeiden: Klären Sie vorab, ob geplante Massnahmen potenziell benachbarte Rechte verletzen könnten.

Fazit: Eigentumsrechte effektiv verteidigen

Der Entscheid des Bundesgerichts zeigt, wie wichtig es ist, die vertikale Dimension des Grundeigentums zu verstehen. Grundeigentümer sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und bei Bauprojekten sorgfältig prüfen, ob diese fremdes Eigentum beeinträchtigen. Dieses Urteil dient als wichtige Orientierung für die Praxis und unterstreicht die Bedeutung eines effektiven Schutzes des Grundeigentums.

https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://02-06-2022-5A_319-2021&lang=de&zoom=&type=show_document

Stichworte: Erdnägel, Anwalt Baurecht, Eigentum, Nachbar, Nachbarrecht, Grenze, Grundstücksgrenze