Baureife; Erschliessung; ungemessene Dienstbarkeit

Baubewilligungsbehörden dürfen grundsätzlich keine privatrechtlichen Fragen beurteilen. Im Baubewilligungsverfahren haben sie lediglich die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu prüfen und zu entscheiden, ob einem Bauvorhaben solche entgegenstehen. Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz, insbesondere wenn öffentlich-rechtliche Fragen unmittelbar an das Privatrecht anknüpfen. In diesem Fall muss die Baubewilligungsbehörde vorfrageweise privatrechtliche Fragen beantworten, sofern sich aus dem öffentlichen Recht ergibt, dass eine solche Vorfrage zugunsten des Baugesuchstellers entschieden sein muss, bevor die Baubewilligung erteilt werden darf.

Ein Beispiel dafür ist die Erschliessung einer Bauparzelle, die privatrechtlich abgesichert ist, beispielsweise durch ein Fahrwegrecht. Ein weiteres Beispiel ist die Schaffung von Abstellplätzen durch den Bauherrn auf einem fremden Grundstück, die dauerhaft als solche genutzt werden können.

Jüngst hatte das BVU (Aargau) zu prüfen, ob die Zufahrt zum Bauvorhaben rechtlich gesichert ist. Im Grundbuchauszug war ein ein Fahrwegrecht zugunsten der Bauparzelle und zulasten einer anderen Parzelle eingetragen, das bereits seit 1912 besteht. Es bestand jedoch Uneinigkeit darüber, welchen Umfang dieses Recht hat. Es gab keinen Dienstbarkeitsvertrag, sondern nur eine Anmeldung der Dienstbarkeit beim Grundbuchamt, aus der keine Informationen zum Umfang des Rechts hervorgehen.

Eine ungemessene Dienstbarkeit darf dem Dienstbarkeitsbelasteten grundsätzlich eine Mehrbelastung zumuten, die auf objektiven Veränderungen der Verhältnisse, wie beispielsweise der Entwicklung der Technik, zurückzuführen ist und die die zweckentsprechende Benutzung des belasteten Grundstücks nicht wesentlich behindert oder einschränkt. Eine erhebliche Überschreitung der ungemessenen Dienstbarkeit liegt erst dann vor, wenn die gesteigerte Inanspruchnahme des belasteten Grundstücks zur Befriedigung der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks die Grenze dessen überschreitet, was bei der Begründung der Dienstbarkeit vernünftigerweise in Betracht gezogen werden konnte. Selbst eine Vergrösserung oder Vermehrung der Gebäude auf dem herrschenden Grundstück kann im Grundsatz nicht als Überschreitung des Dienstbarkeitsrechts angesehen werden.

https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/decrees/6893


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